Stellungnahmen zur Möglichkeit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs – Oktober 2023
Die von der Bundesregierung im März dieses Jahres eingesetzte Kommission „Reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ hat verschiedene gesellschaftliche Akteur*innen – darunter auch die EKD, die Diakonie Deutschland und die Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL) – dazu eingeladen, zu der Frage Stellung zu nehmen, „ob und unter welchen Voraussetzungen eine Regelung zum Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs möglich ist“. Der Rat der EKD hat diese Gelegenheit zum Anlass genommen, sich zum ersten Mal seit der letzten Reform des §218 StGB Mitte der neunziger Jahre grundsätzlich zur rechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs zu äußern und die eigene Position unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Entwicklung fortzuschreiben.
In seiner Stellungnahme betont der Rat der EKD die Besonderheit der Schwangerschaft als „Lebensverhältnis eigener Art“ und die Verantwortung von Staat und Gesellschaft, durch geeignete Rahmenbedingungen zum Schutz des ungeborenen Lebens beizutragen. Gleichzeitig will er die Perspektive der Frau und ihrer reproduktiven Rechte stärker in den Blick nehmen und daher in bestimmten Konstellationen auf den Einsatz des Strafrechtes verzichten. Konkret spricht sich der Rat für eine – im Detail noch näher zu diskutierende – abgestufte Fristenkonzeption mit Unterscheidung verschiedener Schwangerschaftsstadien aus. Spätestens ab der extrauterinen Lebensfähigkeit sollte ein Schwangerschaftsabbruch dabei aus Sicht des Rates strafrechtlich geregelt und nur in klar definierten Ausnahmefällen zulässig sein. Auch an der verpflichtenden Schwangerschaftskonfliktberatung will der Rat der EKD festhalten.
Auch Diakonie und EKFuL haben die Gelegenheit für ausführliche und grundlegende Überlegungen zum Schwangerschaftsabbruch sowie zur Prävention ungewollter Schwangerschaften genutzt. Anders als der Rat plädieren beide für ein rechtlich abgesichertes Beratungsangebot an Stelle einer Beratungspflicht. Die EKFuL will Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich als medizinische Dienstleistung außerhalb des Strafrechts regeln und nur Schwangerschaftsabbrüche gegen den Willen bzw. ohne Zustimmung der Frau strafrechtlich sanktionieren. Die Diakonie hält dagegen – ähnlich wie die EKD – daran fest, dass auch Schwangerschaftsabbrüche jenseits der Grenze der extrauterinen Lebensfähigkeit weiterhin strafrechtlich geregelt werden sollten.
Schon vor dem Ablauf der offiziellen Stellungnahmefrist hatten die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) auf ihrer Mitgliederversammlung gefordert, den §218 aus dem Strafgesetzbuch zu entfernen.
Vor allem die Neupositionierung der EKD zum Schwangerschaftsabbruch hat innerkirchlich zu einer kontroversen Debatte geführt. Der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hat die geltende Regelung in einer gemeinsamen Erklärung mit seinem katholischen Kollegen Bischof Dr. Gebhardt Fürst verteidigt.